Ein Spiel der Extreme

Die Überschrift lässt es schon vermuten, es war eine außergewöhnliche Begegnung, welche die Weiterstädter Bundesligadamen am Ende für sich entscheiden konnten. Mit 65:74 (39:27) gewinnen die Südhessinnen das Auswärtsspiel bei den Saarlouis/Dillingen Diamonds und verbessern sich damit in der Tabelle der 2.DBBL Gruppe Süd auf den 5.Platz.

Das Adjektiv „Extrem“ ist hier allerdings nicht in jeder Beziehung positiv gemeint. Denn die Gäste zeigten an diesem Samstagabend zwei sehr unterschiedliche Seiten. Einerseits die wohl schlechteste erste Halbzeit der Saison, zumindest hofft man in Weiterstadt das sich sowas nicht wiederholt. Andererseits aber zeigte die gleiche Mannschaft dann auch eine großartige kämpferischen Leistung, welche letztendlich zum Erfolg führte.

Doch der Reihe nach. Schon der Spielbeginn verlief zugunsten der Gastgeberinnen. Die Diamonds gingen sehr schnell in Führung und bestimmten das Spiel. Nach dem ersten Spielabschnitt lag Weiterstadt schon 5 Punkte zurück (21:16). Ein Aufholversuch unmittelbar nach der Viertelpause verkürzte den Abstand zwar auf 1 Punkt, dann allerdings absolvierten die Diamonds einen 12:0 Lauf und setzten sich deutlich ab. Die Gastgeber liessen den Ball gut laufen, fanden oft die freie Spielerin und wirkten gut abgestimmt. Ganz anders Weiterstadt, hier funktionierte gar nichts. Zu viele Turnover, schwaches Rebounden, eine Verteidigung mit Lücken groß wie Scheunentore, das war zu wenig um in diesem Spiel zu bestehen. Insgesamt wirkten die Gäste langsam und unkonzentriert, das führte dann im Ergebnis auch zu viel zu vielen Fouls als letzte Reaktionsmöglichkeit, viele Freiwürfe verhalfen Saarlouis zur deutlichen Halbzeitführung. Und auch in der Offense herrschte Ebbe. Eine Dreierquote mit 0 von 9 spricht für sich, ansonsten zeigte man sich mutlos, viel zu zaghaft wurde der gegnerische Korb attackiert und wenn dann mit schlecht gewählten und zum Scheitern verurteilten Abschlussversuchen.

Obwohl die Punktedifferenz zur Halbzeit mit 12 Zähler nicht uneinholbar schien, rechnete man angesichts der bis dahin gezeigten Vorstellung nicht mit einer Rückkehr der Weiterstädterinnen. Und die ersten Minuten nach der Pause bestätigten die Befürchtung, bis zur Mitte des dritten Viertels bauten die Diamonds ihre Führung auf 17 Punkte aus (49:32). Und dann geschah, womit keiner gerechnet hatte, das Spiel kippte aus Sicht der Gastgeber. Weiterstadt wurde aggressiver, sowohl in der Defense als auch der Offense. Viel früher störte man das Spiel der Gastgeberinnen, sichtlich besser funktioniert dabei die Abstimmung. Und im Angriff agierte man schneller und weniger zurückhaltend, dass mit nun besserer Trefferquote auch aus der Distanz. Und damit zwang man endlich auch die Diamonds zu mehr Fouls, eine Freiwurfquote von 86% sorgte für zusätzliche Punkte.

So wurde es nochmal richtig spannend, sukzessive holte Weiterstadt auf. Nach der letzten Viertelpause (54:47) kämpften beide Teams verbissen um jeden Ball. Minutenlang fiel kein Korb, dann in der 34. Spielminute übernahm Weiterstadt erstmals kurzzeitig die Führung (56:57). Die holte sich Saarlouis zwar sofort wieder zurück, aber Weiterstadt blieb dran und kurz vor Schluss zeigte die Spielanzeige Gleichstand (63:63). Die Gäste hatten Ballbesitz und noch 9 Sekunden Zeit, gingen aber nicht entschlossen genug vor – Verlängerung! Und die gehörte Weiterstadt. Saarlouis erzielte zwar die ersten Punkte der Overtime, aber es sollten die einzigen bleiben. Die letzten Minuten zeigten die Südhessinnen das sie alles im Griff hatten, gute Verteidigung und 11 erzielte Punkte sorgten für den am Ende verdienten und klaren Sieg.

Erleichterung und Erschöpfung dominierten die Gefühlslage bei den Weiterstädterinnen unmittelbar nach dem Sieg, die Freude wolle angesichts der Leistung in der ersten Halbzeit noch nicht so recht einkehren. Dabei spielt sicher auch der Wermutstropfen des Spiels eine Rolle, Melissa Kolb verletzte sich nach einem Foul im ersten Viertel ernsthaft am Sprunggelenk, die genauen Folgen wird erst die kommende Woche zeigen und das Team wünscht an dieser Stelle geschlossen alles Gute. Aber mit ein wenig Abstand sind dann doch alle glücklich mit dem Ergebnis, auch Headcoach Hendrik Schwab: „Das war viel Licht und Schatten heute. Zu Beginn war Saarlouis die bessere Mannschaft, und wir haben genug Stoff geliefert für eine bespielhafte Betrachtung was man alles falsch machen kann. Umso mehr muss man den Spielerinnen aber auch Respekt zollen wie sie das Spiel gedreht haben. Denn wir lagen ja nicht nur 12 Punkte zurück, wir waren auch richtig schlecht und das ist mental keine gute Ausgangslage. Sich trotzdem so wieder zurück zu kämpfen zeugt von Charakter, eine Klasseleistung“.

Für Weiterstadt spielten: Annalisa Beck (3/1 Dreier), Karen Beuck, Malin Beuck (8), Edanur Caglar, Saskia Gießelbach (10/1), Olivia Horvath, Kaylee Kilpatrick (27/1), Melissa Kolb (2), Christina Krick (13), Tanja Lehnert (2), Carolin Schmidt (9/1).